Der verspätete Milcheinschuss

Wenn der Start der reichlichen Milchbildung auf sich warten lässt, hat dies Einfluss auf die gebildete Milchmenge. Möglicherweise muss das neugeborene Baby zugefüttert werden.

Laktogenese I und II

In der ersten Phase der Milchbildung, der sogenannten Laktogenese I, differenzieren sich die Brustdrüsen während der Schwangerschaft zur Produktion der Milch und bilden das gelbliche, dickflüssige Kolostrum, das in vergleichsweise geringen Mengen vorliegt. Neugeborene bekommen es nach der Geburt.

Innerhalb von 30 bis 48 Stunden nach der Entbindung beginnt in der Regel die Bildung der weißen und flüssigeren reifen Muttermilch (Laktogenese II). Die Milchmenge nimmt von Tag zu Tag rapide zu und die Farbe der Milch ändert sich von gelb zu weiß. Dieser Prozess ist oft mit einem Anschwellen und Spannen der Brust verbunden und wird umgangssprachlich auch Milcheinschuss genannt. Er macht sich in der Regel innerhalb von 3-4, spätestens 5 Tagen nach Geburt bemerkbar. Die Milch fließt reichlicher, der Stuhl des ausschließlich gestillten Babys wird heller, loser und reichlicher, die Anzahl und Schwere der Windeln mit Urin nehmen ebenfalls zu.

In den ersten 2 (-3) Tagen verliert dein Baby leicht an Gewicht, in der Regel bis 7 % (max. 10 %) und nimmt ab dem 3. (-4.) Tag entlang seiner Perzentile wieder zu. Innerhalb von 7-10 Tagen erreicht der Säugling wieder sein Geburtsgewicht.

Symptome

Von einem verspäteten Milcheinschuss ist die Rede, wenn die Bildung reifer Muttermilch erst nach >72 Stunden, also nach mehr als 3 Tagen einsetzt. Man spricht von der verzögerten Laktogenese II. Dadurch kommt die Milchbildung insgesamt langsamer in
Gang und dein Baby muss möglicherweise vorübergehend oder langfristig zugefüttert werden.

In einer US-Studie waren 23–44 % der Mütter von einer verspäteten Laktogenese II betroffen. Bei einem verzögerten Start der reichlichen Milchbildung besteht das Risiko, dass die volle Milchbildung nicht erreicht wird und das Stillen vorzeitig beendet werden muss.

Denn das Baby wird an der Brust nicht satt, wird unzufrieden und unruhig an der Brust oder im Gegenteil sehr schläfrig, schlapp und schwer zu wecken. Die Ausscheidungen sind unzureichend, die Konsistenz und die Farbe ändern sich nicht wie erwartet. Dein Baby verliert mehr als 7 % seines Geburtsgewichts, die anschließende perzentilenparallele Gewichtszunahme bleibt aus. Dein Baby kann dehydrieren und das Risiko für eine verstärkte Gelbsucht steigt.

 

Bekannte Risikofaktoren für eine verzögerte Laktogenese II

Gewisse Faktoren führen zu einem erhöhten Risiko für eine verzögerte Laktogenese II.

Es sind folgende Risikofaktoren bekannt:

  • spätes erstes Stillen (> 2h nach der Entbindung) bzw. späte erste Entleerung der Brust
  • unzureichende Stimulierung der Brust in den ersten Tagen aufgrund von zu seltenem oder wenig effektivem Stillen
  • Präeklampsie (Schwangerschaftsvergiftung)
  • insulinabhängiger Diabetes mellitus inklusive Gestationsdiabetes
  • Adipositas
  • Frühgeburt und sehr niedriges Geburtsgewicht (Small for Gestational Age)
  • Kaiserschnitt
  • sehr lange, komplizierte Geburten

Erstgebärende sind zudem deutlich öfter von einer verzögerten Laktogenese II betroffen als Mehrgebärende.
Bei mehrgebärenden Frauen setzt die Bildung der reichlichen Muttermilch generell früher ein.

Chronischer Schlafmangel (auch schon währender Schwangerschaft), Depressionen, ein höheres Alter der Mutter und exzessiver Alkoholkonsum während der Schwangerschaft werden als weitere mögliche Risikofaktoren diskutiert.

Der verzögerte Milcheinschuss ließe sich in vielen Fällen vermeiden oder abmildern, wenn dafür gesorgt wäre, dass das erste Stillen/die erste Brustentleerung innerhalb der ersten 1-2 Stunden nach der Entbindung stattfindet. Anschließend sollte die Brust häufig und gründlich durch Stillen bzw. alternativ durch manuelle Gewinnung (Handausstreichen) oder beidseitiges Abpumpen entleert werden.

Mithilfe von frühzeitiger Optimierung des Stillmanagements und einer intensiven Saugstimulation an der Brust lässt sich die Milchbildung in vielen Fällen trotz einer gewissen Verzögerung aufbauen. Vollstillen kann so mit der Zeit möglich werden, bei der einen Mutter etwas früher, bei der anderen etwas später.

Vorbeugung und Behandlung

Frühes, effektives und häufiges Stillen bzw. doppelseitige Brustentleerung per Hand oder Pumpe, falls Stillen bei einer Trennung oder einem saugunfähigen/saugschwachen Baby nicht möglich ist, in den ersten 3-5 Tagen nach der Geburt wirken einem verzögerten Start der reichlichen Muttermilchproduktion entgegen.

Das Vollstillen/die volle Milchbildung kann beim Fortsetzen der effektiven und häufigen Entleerung der Brust mit einer gewissen Verzögerung erreicht werden. Es sollte beidseitig mindestens 8-12-mal in 24 Stunden entleert werden. Denn es gilt:

Je gründlicher und je häufiger die Brust entleert wird, umso stärker wird die Milchbildung stimuliert.

Natürlich lässt sich nicht mit Sicherheit sagen, welche Frau das Vollstillen erreichen wird und in welchem Zeitraum, aber bei frühzeitigen intensiven Bemühungen zur Milchbildungssteigerung durch häufige und gründliche Entleerung der Brust stehen die Chancen bei vielen Frauen gut. Und auch wenn Vollstillen nicht erreicht wird, hilft es, das Maximum des Michbildungspotentials zu erreichen.

Solange die Milchbildung den Nahrungsbedarf deines Babys nicht deckt, ist Zufütterung erforderlich. Idealerweise erfolgt die Zufütterung an der Brust. Am 1. und 2. Tag kannst du mithilfe einer Spritze und eines Schlauchs füttern. Anschließend, sobald die erforderliche Milchmenge ansteigt, mithilfe eines Brusternährungssets. Dadurch wird das Stillen gefördert und geschützt, da dein Baby lernt, dass die Milch aus der Brust kommt und die Milchbildung der Mutter wird durch das intensive und langandauernde Saugen des Babys angeregt.

Du kannst auch auf alternative Ernährungsmethoden zurückgreifen. Becherfütterung ist beispielsweise eine Option, wenn die Zufütterung an der Brust nicht umsetzbar ist. Das Saugbedürfnis deines Babys sollte an der Brust gedeckt werden, um die Milchbildung zu stimulieren und sich so an die Brust zu gewöhnen. Bei der Zufütterung mit der Flasche besteht ein erhöhtes Risiko von Saugproblemen, Brustverweigerung, einem Rückgang der Milchbildung und vorzeitigem Abstillen. Hat sich die Flasche einmal etabliert, fällt es vielen Frauen und Babys schwer, sich umzustellen.

Häufige Probleme beim Stillen

Milchstau